Norddeutsche Wasserstoffstrategie

„Wir sind überzeugt von der Notwendigkeit der Wasserstoffwirtschaft“

Cosler begeistert sich für die Chance, die Wasserstoffwirtschaft von Beginn an mitzugestalten.

Wer treibt die Wasserstoffwirtschaft im Nordwesten an? Wie entstehen aus Ideen und Visionen handfeste Projekte, die Bremen und den Nordwesten zu einem Hotspot in der Wasserstoff-Industrie machen? In unserer Reihe „Wasserstoff. Norddeutsch. Persönlich.“ stehen die Persönlichkeiten hinter der Wasserstoff-Wende Rede und Antwort.

Christoph Cosler ist Leiter der Unternehmensentwicklung bei den Hamburger Energiewerken und Geschäftsführer der Hamburg Green Hydrogen GmbH & Co. KG (HGHH). Das Konsortium, bestehend aus den beiden Partnern Luxcara und Hamburger Energiewerke, baut am Standort des ehemaligen Kohlekraftwerks Moorburg eine 100-Megawatt-Elektrolyseanlage. Neben diesem zentralen Projekt verantwortet Cosler bei den Hamburger Energiewerken die strategische Ausrichtung im Bereich Wasserstoff. Grüner Wasserstoff gilt für das Unternehmen als Schlüssel zur Energiewende – insbesondere mit Blick auf die Transformation der Fernwärmeversorgung. Dabei geht es nicht nur um die Ablösung von Kohle und Erdgas, sondern auch um die Frage, wie regelbare Leistung durch Wasserstoff künftig gesichert werden kann.

Herr Cosler, was motiviert Sie, im Bereich Wasserstoff zu arbeiten?

Cosler: Mein Einstieg in das Thema Wasserstoff begann 2021 mit der Stilllegung des Kraftwerks Moorburg. Damals stand die Frage im Raum, wie wir den Standort nachhaltig nutzen können – und Wasserstoff kristallisierte sich schnell als zentrales Thema heraus. Über die Arbeit am IPCEI-Bewerbungsprozess bin ich dann tiefer eingestiegen und habe verstanden, welche Schlüsselrolle Wasserstoff für die Transformation unserer Energiesysteme spielt.

Seitdem begeistert mich die Möglichkeit, die Wasserstoffwirtschaft von Beginn an mitzugestalten. Es macht große Freude, etwas so Fundamentales entstehen zu sehen – und selbst Teil davon zu sein.

Auf welchen persönlichen Erfolg im Bereich Wasserstoff sind Sie besonders stolz?

Cosler: Es hängt eng mit der Geschichte des Projekts zusammen – unser Einstieg und meine persönliche Rolle dabei.  Ich kam eigentlich mit nahezu null Vorkenntnissen zum Molekül Wasserstoff; Chemie war nie so richtig mein Thema. Trotzdem bin ich dort hineingewachsen und wir mussten im Projekt einige Hürden nehmen. Ein besonders großes Thema war der sehr lange und komplexe Prozess, die IPCEI-Förderung zu erlangen.

Jetzt stehen wir an dem Punkt, dass wir wirklich draußen auf dem Baufeld mit bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen haben. Das Team zusammenzuhalten, es neu zu formen und zu sehen, dass heute alle für das Thema brennen – das empfinde ich persönlich als großen Erfolg. Und es ist für mich bis heute ein starker Ansporn, weiterzumachen.

Was hat Sie zuletzt im Bereich Wasserstoff überrascht?

Cosler: Es gab in den letzten Jahren einige Überraschungen. Man hat den großen Wasserstoff-Hype erlebt – und dann auch gesehen, wie stark er wieder abgenommen hat. Viele Projekte wurden abgemeldet, der Markt hat sich spürbar bereinigt. Wir sind aber überzeugt von der Notwendigkeit der Wasserstoffwirtschaft und arbeiten weiter mit diesem festen Glauben daran.

Besonders begeistert hat mich zuletzt die Meldung über den Liefervertrag zwischen dem französischen Wasserstoffproduzenten Verso Energy und der Stahl-Holding-Saar-Gruppe: Zehn Jahre Wasserstofflieferung – das ist ein starkes Signal. Solche Momente machen Mut.  Vielleicht geht es nicht so schnell, wie man sich das ursprünglich erträumt hat, aber es gibt diese „zarten Pflänzchen“, die zeigen: Wir gehen in kleinen, aber klaren Schritten in die richtige Richtung.

Welche Person würden Sie gerne auf einer Messe und Konferenz zum Thema Wasserstoff treffen?

Cosler:  Ja, da gibt es jemanden: Jorgo Chatzimarkakis, den CEO von Hydrogen Europe. Ihn würde ich sehr gerne einmal persönlich kennenlernen. Ich kenne viele seiner Vorträge und Beiträge. Er ist unglaublich tief in den Abläufen in Brüssel und im Zusammenspiel mit der EU-Kommission vertraut. Außerdem brennt er für das Thema Wasserstoff und kann es auf eine Art vermitteln, die klar, verständlich und mitreißend ist. Ein sehr spannender Mensch – den einmal zu treffen, wäre für mich etwas Besonderes.

Welches Wasserstoff-Projekt oder welchen innovativen Ort – egal wo auf der Welt – würden Sie gern einmal näher kennenlernen?

Cosler: Dadurch, dass wir selbst ein solches Projekt umsetzen, sehen wir sehr genau, wo die Schwierigkeiten liegen: bei der Koordination, bei regulatorischen Limitationen und komplexen Rahmenbedingungen. Deshalb würde ich gar nicht unbedingt weit reisen, um mir ein Projekt in der Ferne anzuschauen – der Lerneffekt für uns wäre eher gering.

Viel wertvoller finde ich den Austausch mit Projekten, die unter denselben Bedingungen arbeiten, also im europäischen oder sogar im deutschen Rahmen. Ein Beispiel sind die Projekte der EWE: vergleichbare Rahmenbedingungen, ähnliche technische Herausforderungen. Da wäre ein engerer Austausch spannend, gerade auf der technischen Seite.

Wir befinden uns im Jahr 2035, in einem Satz: Woran merkt man im Alltag die Bedeutung von Wasserstoff?

Cosler: Im Moment dreht sich alles um das Preisgefälle zwischen den Erzeugungskosten für Wasserstoff und dem, was die Industrie zahlen kann – das ist die große Hürde. Meine Vision für 2035 ist, dass dieses Thema überwunden ist und wir stattdessen über Versorgungssicherheit sprechen: über ausreichende Bereitstellung, regionale Erzeugung und gleichzeitig notwendige Importe. Wir werden beides brauchen. Wenn wir uns dann ernsthaft mit Fragen der Versorgung beschäftigen – ähnlich wie wir es aus dem Gasbereich kennen –, ist das für mich ein Zeichen, dass die Wasserstoffwirtschaft erwachsen geworden ist.

Vielen Dank für das Gespräch!